Solidarität mit Israel

Kundgebung Solidarität mit Israel
Bildrechte S. Reuther
Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern spricht bei Solidaritätskundgebung mit Israel am 11.10.23:


Simchat Tora das ist der Feiertag, an dem Israel überfallen wurde. An diesem Tag geht das Lesen der Tora, der 5 Bücher Mose, wieder los. In der ersten Woche sind die ersten 6 Kapitel dran.
Genau in der Mitte ist die Geschichte von Kain und Abel. Hinterrücks und ohne Vorwarnung erschlägt Kain seinen Bruder Abel. Es ist die Geschichte von der Realität. Erst ist es so wie es sein sollte: Paradies, Garten Eden, Schöpfung und dann:
Die Realität: Schonungslos erzählt die Geschichte den Missbrauch der Freiheit. Das ist der erste Sündenfall der Geschichte: Der Angriff kommt aus heiterem Himmel, der Bruder mordet den Bruder. Wenn Menschen Menschen töten, ist es immer Brudermord. Dieser Überfall auf Israel ist eine Kainstat.
Gewiss, Israel ist nicht der Garten Eden und sie haben das immer gewusst, aber das ist es nicht worum es heute geht.
Heute geht es darum, Ihnen unsere Solidariät zu zeigen, unsere Trauer und unser Entsetzen, dass Kain immer noch das Rollenmodell bietet.
Wir fühlen mit den Eltern, deren Kinder ermordet und entführt wurden. Wir fühlen mit den Familien, deren Liebste nun in den Krieg ziehen. Wir sind bei Ihnen, liebe Brüder und Schwestern der jüdischen Gemeinde, die vor Sorge und Angst um Angehörige in Israel kein Auge zu tun.
Kain und Abel. Natürlich geht die Geschichte von Kain und Abel so weiter, dass man nicht Gleiches mit Gleichem vergelten soll. Aber es macht Abel nicht wieder lebendig, wenn man danach fragt, warum Kain gemordet hat.
Jetzt nach Waffenstillstand zu rufen, so wie es auf deutschen Straßen und von manchen Weltmächten gerufen wird, ist zynisch. Genauso wie es zynisch ist, die Ukrainer aufzufordern Frieden zu schließen. Warum? Weil es dem Aggressor recht gibt.
Sich zu wehren, ist etwas anderes als aus heiterem Himmel wahllos Menschen zu töten, zu entführen - unterschiedslos ob Männer oder Frauen, Kinder oder Alte, Zivile oder Nichtzivile.
Wenn jemand skrupellos entfesselte Gewalt lostritt, dann ist Stillhalten auch aus christlicher Sicht keine politische Option. Deshalb sind wir heute auch hier, um all denen entgegenzutreten, die Opfer und Täter auf perfide Weise vertauschen wollen.
Die Lesung dieser Woche nach Simchat stellt uns die brutale Realität vor Augen. Wir leben nicht im Garten Eden ohne Gewalt. Wir alle sind Kinder der Gott gewollten Freiheit, sie zu missbrauchen fällt immer auf die Täter zurück.
Wie jeder von uns bin auch ich entsetzt über die Gewalt. Jeden Tag mehr Tote. Israel steckt in einem Dilemma: die Antwort auf den Terror muss klar und deutlich sein und doch darf es nicht mit den Mitteln des Terrors geführt werden.
Gleichzeitig feiern in Deutschland und andernorts manche Menschen auf der Straße, dass Zivilisten, auch Kinder und alte Menschen entführt, verletzt oder getötet werden. Dafür habe ich kein Verständnis. Im Gegenteil: Ich finde das abscheulich und geschmacklos.
Mir steht es nicht zu, zu mahnen. Ich kann nur von meiner Hoffnung sprechen: dass der Gegenschlag Israels im Rahmen des Völkerrechts bleibt, die Überfallenen nicht selbst zu Aggressoren werden. Das ist eine große Herausforderung für einen Rechtsstaat.
Ich bete zu Gott, dass er Wege zum Frieden auftut.
Schalom, das ist das jüdische Wort für Frieden.
Schalom geht nicht ohne Gerechtigkeit, in diesem Sinne seien Sie unserer Solidarität versichert.